Der Mythos der Überbevölkerung

Kritisches Hinterfragen des Narratives, dass die Erde an Überbevölkerung leidet. Oft gesehen durch eine Linse, die von Lebensmittelknappheit und Umweltproblemen ausgeht.

Von T. A. Lumen

7/2/20255 min lesen

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Vom Überbevölkerungspanik zum Bevölkerungskollaps: Die Fragen, die niemand stellt

Jahrzehntelang wurde die westliche Gesellschaft von Weltuntergangs-Sage der Überbevölkerung verfolgt. Die Angst, befeuert durch Paul Ehrlichs Buch „Die Bevölkerungsbombe“ ("The Population Bomb") von 1968, warnte vor Massenhunger, Ressourcen-Knappheit und globalem Chaos. Politiker, Wissenschaftler und Aktivisten stellten sich eine Zukunft der Knappheit vor – in der weniger Geburten als Rettung galten.

Doch fast sechzig Jahre später zeigt sich: Die Geschichte hatte andere Pläne. Die einst als unumstößlich geltende Katastrophe durch Überbevölkerung hat nicht stattgefunden. Heute sind die Geburtenraten in nahezu allen entwickelten Ländern weit unter das Bestandserhaltungsniveau von 2,1 Kindern pro Frau gefallen. Bevölkerungsrückgang ist in vielen Ländern nicht nur möglich – sondern mathematisch unvermeidbare Realität.

Diese Wende hat tiefgreifende Folgen. Über die negativen Auswirkungen – schrumpfende Wirtschaften, Rentenkrisen, alternde Gesellschaften – wird zwar gesprochen. Aber eine faszinierende Frage bleibt meist unbeachtet: Wer profitiert von einer Welt mit Bevölkerungsrückgang?

1. Die Folgen der Überbevölkerungserzählung


Der Überbevölkerungspanik hat die westliche Gesellschaft auf mehrere Arten geprägt:


Kultureller Anti-Natalismus: Große Familien galten als unmodern; Kinderkriegen wurde oft als egoistisch oder umweltschädlich dargestellt.
Politisches Versagen: Rentensysteme, Wirtschaftsmodelle und Infrastruktur wurden auf ständiges Bevölkerungswachstum ausgelegt. Der „Generationenvertrag“ wurde nie angepasst. Heute stehen die Rentensysteme unter Druck, insbesondere da die Renten durch die Inflation der letzten fünf Jahre an Wert verloren haben.
Ethische Grenzüberschreitungen: In vielen Entwicklungsländern führten westlich finanzierte Bevölkerungskontrollprogramme zu Zwangsmaßnahmen, einschließlich Sterilisation.
• Konsumblindheit: Statt den eigenen übermäßigen Konsum zu hinterfragen, wurde Geburtenkontrolle im Ausland forciert.

Das Ergebnis? Gesellschaften, die auf den Geburtenmangel unvorbereitet sind.

2. Das Zeitalter des Bevölkerungskollapses


Nahezu jedes westliche Land steht vor demselben Problem: Geburtenraten weit unter dem Ersatzniveau. Selbst Länder mit hoher Zuwanderung kämpfen mit Bevölkerungsrückgang. Die langfristigen Konsequenzen sind gravierend – und größtenteils unausweichlich.

Sehr wahrscheinliche Folgen (über 80 % Wahrscheinlichkeit):
• Schrumpfender Arbeitsmarkt: Weniger junge Arbeitskräfte bremsen das Wachstum.
Rentenkrise: Umlagesysteme kollabieren ohne neue Einzahler. Steuerliche Subventionen werden notwendig.
Belastung des Gesundheitssystems: Ältere Menschen benötigen mehr Pflege. Hochwertige Versorgung wird zum Luxusgut.
Verödung ländlicher Räume: Dörfer sterben aus, Infrastruktur verfällt.
Kultureller Verlust: Kleinere Generationen tragen Sprache und Werte weniger weiter.

Wahrscheinliche Folgen (50–80 % Wahrscheinlichkeit):
Migrationspolitik auf Expansion: Länder öffnen ihre Grenzen für junge Arbeitskräfte – soziale Spannungen nehmen zu. Bereits sichtbar in Form von Protesten, Unruhen und Polarisierung.
Rückgang der Konsumwirtschaft: Weniger Familien = weniger Nachfrage nach Immobilien, Produkten, Bildung. Weniger Umsatz, weniger Steuern.
Generationenkonflikte: Junge Steuerzahler tragen die Last der Alten. Die Kluft zwischen Millennials und Boomern vertieft sich.
Probleme bei der Rekrutierung für das Militär: Schon heute ein Thema – skandinavische Länder verpflichten Frauen zum Wehrdienst unter dem Gleichheitsprinzip.

Unwahrscheinliche, aber mögliche Szenarien (unter 50 % Wahrscheinlichkeit):
Zivilisationskollaps: Nur bei zusätzlichen Krisen (Krieg, Klimakatastrophen etc.) wahrscheinlich. Beispiel: Russlands Krieg gegen die Ukraine.
Autoritäre Natalismuspolitik: Staatlicher Druck zur Geburtensteigerung. Schon heute sichtbar in Polen und Ungarn.
Vollautomatisierung: KI und Roboter ersetzen menschliche Arbeit vollständig – derzeit spekulativ.
Geburtenrückkehr durch Kulturwandel: Nur wahrscheinlich in religiösen Milieus.

3. Wer profitiert?


Trotz aller Herausforderungen gibt es Akteure, die besser durch den Wandel kommen – oder sogar profitieren.

A. Länder mit Vorteilen:
• Israel: Hohe Geburtenrate (über 3,0) durch kulturellen/religiösen Zusammenhalt.
• Ungarn & Polen: Fördern aktiv Geburten durch staatliche Anreize.
• Indien & Nigeria: Junge, wachsende Bevölkerungen mit geopolitischem Potenzial.
• Estland & Singapur: Flexible, technologieorientierte Gesellschaften.

B. Religiöse & kulturelle Gewinner:
• Orthodoxe Juden, Mormonen, Muslime in Europa, Amish, traditionelle Christen: Hohe Geburtenraten und familienzentrierte Lebensweise.
• Erbgemeinschaften: Gruppen, die auf Generationenbindung setzen, gewinnen politisch und demografisch an Einfluss.

C. Wirtschaftliche Gewinner:
• KI & Robotik: Anbieter von Automatisierungslösungen, Pflege- und Servicetechnologien.
• Gesundheits- & Biotech-Branche: Ältere Gesellschaften sind ein Wachstumsmarkt.
• Remote-Arbeitsplattformen: Globale Arbeitsmärkte für westliche Firmen erschließen.
• Migrationsvermittler: Agenturen für Fachkräftevermittlung werden unverzichtbar.

D. Ideologische Gewinner:
• Pro-Familien-Bewegungen: Wertewandel hin zu Familienorientierung.
• Postwachstumsökonom:innen: Stellen Wirtschaft ohne Bevölkerungswachstum in den Fokus.
• Lokalismus & Degrowth: Nachhaltiges, kleinmaßstäbliches Leben gewinnt an Attraktivität.

E. Schattengewinner:
• Informelle Arbeitsmärkte: Schwarzarbeit, inoffizielle Pflegenetze, illegale Migration.
• Reproduktions- & Fruchtbarkeitstech: Wohlhabende greifen auf High-Tech-Lösungen zurück.

4. Nach dem Wachstum: Zukunft neu denken


Trotz Hoffnung auf Migration und Technologie als Lösung – beide bieten nur zeitlich begrenzte, partielle Antworten. Die eigentliche Krise liegt nicht in der Anzahl der Menschen, sondern in übermäßigem Konsum, Ungleichheit und Systemversagen.

🌍 Realität: Die Welt liegt unter dem Ersatzniveau
Für Bevölkerungsstabilität braucht es 2,1 Kinder pro Frau. Derzeit:
• Europa: 1,4–1,6
• Nordamerika: USA ~1,6, Kanada ~1,4
• Ostasien: China (~1,2), Japan (~1,3), Südkorea (~0,7)
• Indien & Lateinamerika: Kürzlich unter 2,1 gefallen


Nur wenige Länder sind über dem Niveau:
• Sub-Sahara-Afrika (z. B. Niger, Somalia, DRC)
• Israel (kulturell und politisch bedingt)

Das Paradoxon: Wenn fast alle Länder schrumpfen – woher sollen dann die zukünftigen Migranten kommen?

6. 🚧 Migration: Eine Lösung am Limit


Der Westen setzte lange auf Migration zur Stabilisierung. Doch:


• Weltweiter Geburtenrückgang: Weniger junge Menschen in den Herkunftsländern.
• Kulturelle Assimilation: Migranten übernehmen binnen 1–2 Generationen das westliche Familienmodell.
• Soziale & politische Widerstände: Hohe Kosten, kulturelle Konflikte, Integrationsprobleme.
• Fachkräftemangel weltweit: Hochqualifizierte fehlen überall.

Migration kann verlangsamen, aber nicht aufhalten oder umkehren.

7. 🤖 Die Automatisierungsillusion


KI & Automatisierung gelten als Lösung – mit Widersprüchen:


• Maschinen konsumieren nicht: Nachfrage braucht Menschen.
• Hohe Investitionskosten: Nur Großunternehmen profitieren.
• Schrumpfende Binnenmärkte: Weniger Konsumenten = wirtschaftlicher Stillstand.
• Risiko der Deflation: Produktivität steigt, Nachfrage sinkt.

Für eine Übergangszeit nützlich, aber keine umfassende Lösung.

8. 🔹 Jenseits der Zahlen: Systemische Ursachen


Nicht die Anzahl der Menschen ist das Problem. Sondern:


❌ Überkonsum:
• Reiche Länder leben über ihre Verhältnisse.
• Müllproduktion und Ressourcenverbrauch pro Kopf sind am höchsten im Westen.


❌ Ressourcenverschwendung:
• 30 % der Lebensmittel werden verschwendet.
• Intakte Waren werden vernichtet, um den Preis zu halten (z. B. Luxusmode).
• Fast Fashion produziert Übermengen, 75 % landen auf Müllhalden.


❌ Stadtflucht:
• Migration in Städte aus wirtschaftlichen Gründen, nicht Notwendigkeit.
• Städtisches Elend vs. ländliche Sicherheit – Letzteres wird unterfinanziert.


❌ Geplante Obsoleszenz:
• Produkte gehen kurz nach Garantie kaputt (z. B. Glühbirnenkartell Phoebus).

Kurz: Die Krise betrifft nicht die Menge an Menschen – sondern ihren Lebensstil und unsere Systeme.

9. 📈 Gewinner und Verlierer


Gewinner (vorerst):
• Großkonzerne im Techbereich
• Kapitalreiche Länder
• Remote-First-Firmen

Wahrscheinliche Verlierer:
• Durchschnittsarbeitnehmer: Weniger Chancen, höhere Steuerlast
• Senioren: Mangel an Pflegepersonal
• Regierungen: Schrumpfende Steuerbasis, steigende Ausgaben
• Ländliche Regionen: Infrastrukturverfall

Selbst Gewinner stehen auf wackligem Boden, wenn Systeme nicht angepasst werden.

Nach dem Wachstum: Neue Wege finden


Die Welt nach dem Wachstum muss grundlegende Fragen beantworten:


• Was bedeutet Wohlstand ohne Bevölkerungswachstum?
• Wie gestalten wir Marktwirtschaften in schrumpfenden Gesellschaften?
• Wie sichern wir Menschenwürde ohne endlosen Konsum?

Die Zukunft wird nicht durch Migration oder KI allein gesichert. Sie hängt davon ab, ob wir unsere Systeme und Erwartungen an eine schrumpfende Welt anpassen.

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