Die Abschaffung des Eigenmietwertes und die Folgen
Eine detaillierte Analyse der Konsequenzen einer politischen Entscheidung die Wohneigentümer, insbesondere Erstbesitzer und junge Familie in der Schweiz betreffen.
By T. A. Lumen
10/2/20255 min lesen
Eigenmietwert-Abschaffung: Wer wirklich profitiert – und wer draufzahlt
Einleitung – Die Ausgangslage
Die aktuell angenommene Abschaffung des Eigenmietwertes versprach viel: Junge Familien, einkommensschwache Haushalte und sogar Mieter sollen von der Abschaffung des Eigenmietwerts profitieren. Ein Blick in die Realität zeigt jedoch ein anderes Bild. Die Hürden für den Erwerb von Wohneigentum sind in den letzten Jahren massiv gestiegen – vor allem durch hohe Immobilienpreise, strengere Tragbarkeitsprüfungen und steigende Zinsen. Der Eigenmietwert spielte bei der Frage, ob jemand überhaupt ein Haus oder eine Wohnung kaufen kann, kaum eine Rolle.
Wer also gewinnt wirklich durch diese Reform?
Die Gewinner
Die eigentlichen Profiteure sind vor allem vermögende Eigentümer mit weitgehend abbezahlten Liegenschaften.
Rentnerinnen und Rentner sowie die Altersgruppe 50–65: Studien zeigen, dass ein grosser Teil dieser Eigentümer ihre Hypothek schon stark amortisiert oder ganz abbezahlt hat. Ihre Wohnkosten sind heute tief, und mit dem Wegfall des Eigenmietwerts sinkt ihre Steuerlast noch weiter.
Wohlhabende Haushalte mit grossen oder frisch renovierten Liegenschaften: Gerade hier macht der Eigenmietwert oft mehrere tausend Franken pro Jahr aus. Diese Entlastung fliesst damit an jene, die ohnehin zu den finanziell stärksten Bevölkerungsschichten gehören.
Eigentümer mit Neubauten oder modernisierten Immobilien: Sie profitieren doppelt – zum einen von tiefen Unterhaltskosten, zum anderen vom Wegfall einer Steuer, die bisher ihre hohe Wohnqualität widerspiegelte.
Kurz gesagt: Der grösste Effekt tritt dort ein, wo Vermögen und Sicherheit schon vorhanden sind.
Die Verlierer
Die Mehrheit der Wohneigentümer steht schlechter da:
Junge Familien und Ersterwerber: Sie finanzieren ihre Liegenschaften typischerweise mit hohen Hypotheken. Nicht weil sie das wollen, sondern weil viele Immobilien in der Schweiz so teuer sind, dass es ohne Hypothek gar nicht machbar ist. Mit dieser Reform fallen Zinsabzüge weg – genau jene Entlastung, die ihre Budgets bisher spürbar entlastet hat. Die ältere Generation, die bereits teilweise oder vollständig abbezahlte Immobilien besitzen, interessiert dies wenig. Ihre Zinslast ist vergleichsweise niedrig. Für Ersterwerber oder junge Familien mit Kindern, ist es jedoch kaum möglich ein Eigentum ohne hohe Hypotheke zu erwerben. Und mit der neuen Gesetzgebung können die jährlichen Hypothekarzinsen nicht mehr steuergünstig abgesetzt werden. Ein harter Schlag für jene Bevölkerungsgruppe, für die eine Immobilie oft notwendig ist: Junge Familien mit Kindern. Denn: Viele Eigentümer vermieten ungerne Wohnungen an Familien mit Kindern wegen Lärm, stärkere Abnutzung und mehr Konfliktpotential unter den Mietern. Familien mit mehr als zwei Kindern haben zudem Mühe bezahlbaren Wohnraum zu erhalten. Denn grosse Wohnungen mit fünf oder mehr Zimmern sind rar und teuer. Deshalb besteht nach wie vor der Traum, eine kinderfreundliche Immobilie als junge Familie zu erwerben.
Käufer älterer Immobilien: Weil Neubauten oft unerschwinglich sind, greifen viele junge Familien zu älteren Häusern. Mit diesen Käufen gehen bald teure Renovationen einher – von Heizungsersatz über Fassadensanierung bis hin zur Küchenerneuerung. Bisher konnten diese Kosten steuerlich abgezogen werden, künftig nicht mehr.
Die Mittelklasse: Sie profitierte bisher von der Möglichkeit, Hypothekarzinsen und Unterhaltskosten abzuziehen. Der Wegfall dieser Abzüge erhöht die Steuerlast, gerade für Haushalte, die ohnehin stark belastet sind, enorm. Über kurz oder lang hat jede Liegenschaft Renovierungsbedarf. Doch nun fällt der finanzielle Anreiz eine Liegenschaft zu pflegen, weg.
Mieter: Trotz gegenteiliger Behauptungen vieler Stimmen in der Wirtschaft (u.a. die HEV), bringt diese Reform ihnen gar nichts. Für vermietete Objekte bleibt das heutige System bestehen: Einnahmen sind steuerbar, Unterhaltskosten abziehbar.
Damit wird genau jene Gruppe benachteiligt, die in der Kampagne als Gewinner dargestellt wurde.
Was ist für die Zukunft zu erwarten?
Da die Hürden seitens der Banken für den Erwerb einer Immobilie unverändert bleiben, wird die Nachfrage nach Wohneigentum insgesamt nicht zunehmen. Die Banken berechnen die Zinsbelastung nach wie vor mit einem fiktiven Zins von 5%. Das bedeutet: Selbst wenn jemand das notwendige Eigenkapital von 20% aufbringen kann, wird die Zinsbelastung trotz sehr niedrigen Zinsen weiterhin mit 5% berechnet. Das führt dazu, dass Familien die nicht über ein hohes Einkommen verfügen und dieses Einkommen die "Tragbarkeit der Zinslast von 5%" bestehen kann, sie trotz hoher Ersparnisse, keine Hypotheken von der Bank erhalten. Das bedeutet konkret: Entweder mehr Eigenkapital bringen oder sein Einkommen durch Berufswechsel oder Fortbildung drastisch erhöhen. Eine Möglichkeit, die für viele Familien nicht besteht. Denn mit kleinen Kindern eine Fortbildung zu machen oder mehr Kapital anzusparen, ist oft nicht realistisch.
Viele ältere Liegenschaften werden zurzeit von einer einzigen Person bewohnt: Ältere Witwen und Witwer. Diese können sich die Liegenschaft nur deshalb leisten, weil sie diese entweder vollständig oder teilweise abbezahlt haben und die Wohnkosten niedrig sind. Allerdings versäumen es ältere Menschen oft, ihre Liegenschaft instand zu halten. Das bedeutet: In Zukunft werden vermehrt renovierungsbedürftige Liegenschaften auf den Markt kommen, die aufgrund der Abschaffung des Eigenmietwertes jedoch unattraktiv sind, da Renovierungskosten steuerlich nicht mehr abgesetzt werden können. Resultat: Die Liegenschaften werden lange auf dem Immobilienmarkt "sitzen" oder zu einem niedrigeren Preis verkauft werden.
Was ebenfalls zu erwarten ist, ist ein Rückgang für das ganze Handwerksgewerbe. Denn: Renovierungskosten können nun nicht mehr abgesetzt werden. Zu erwarten ist deshalb, dass Herr und Frau Schweizer viele Renovierungen und Instandhaltungen selber durchführen werden. Hat man früher dem Maler einen Auftrag erteilt, so ist es nach Abschaffung des Mietwertes deutlich interessanter selbst zu streichen, selbst wenn es mehr Zeit und Energie kostet. Das ist schlecht für die Handwerker.
Fazit – Eine soziale Schieflage
Die Analyse ist eindeutig: Von der Abschaffung des Eigenmietwerts profitieren vor allem vermögende Eigentümer mit abbezahlten Liegenschaften. Junge Familien, die Mittelklasse und Ersterwerber dagegen zahlen drauf
Die Reform wurde als Schritt zu mehr Wohneigentum und tieferer Steuerlast verkauft. Tatsächlich passiert Folgendes:
Der Erwerb wird nicht erleichtert, da Banken die Hürden bei Eigenkapital und Tragbarkeit unverändert hoch ansetzen. Das ist der Hauptgrund für die Schwierigkeit beim Erwerb eines Eigentums.
Bestehende Eigentümer mit hohen Hypotheken werden belastet, weil ihnen steuerlichen Abzugsmöglichkeiten entzogen werden. Es ist also eine versteckte Steuererhöhung für den Mittelstand mit renovierungsbedürftigen Immobilien.
Eine wohlhabende Minderheit - Rentner und Vermögende - wird steuerlich entlastet – die breite Mitte verliert.
Politische Hintergründe
Warum also diese Gesetzesänderung? Ein Blick auf die Demographie liefert eine Erklärung:
Die Schweiz ist überaltert. Ein Grossteil der politisch aktiven und wahlstarken Bevölkerung ist über 50, oft mit guter Ausbildung und wirtschaftlich erfolgreich – genau jene Gruppe, die von der Reform am meisten profitiert. Dass diese Interessen sich nun auch in der Gesetzgebung widerspiegeln, überrascht kaum.
Augenwischerei statt Fairness
Die Kampagne versprach Vorteile für sozial Schwache und junge Familien – ein starkes Werbeargument, das auf breite Zustimmung hoffen konnte. Doch faktisch passiert das Gegenteil. Tragisch ist, dass dies nach der Einführung der Individualbesteuerung bereits die zweite Gesetzesänderung innert weniger Monate ist, die junge Familien mit Kindern besonders hart trifft.
Und doch: Medien, Stiftungen und Organisationen, die sich eigentlich dem Wohl der Mittelschicht verschrieben haben, schweigen weitgehend zu dieser sozialen Schieflage.
Aufforderung zum Diskurs:
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