Individualbesteuerung und die finanziellen Auswirkungen

Kritische Analyse der finanziellen Folgen der neuen Individualbesteuerung für verheiratete und Familien in der Schweiz

By T. A. Lumen

10/3/20254 min lesen

a woman sitting at a table with lots of papers
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Individualbesteuerung in der Schweiz – Mehrbelastung für Familien mit ungleichem Einkommen

Die Individualbesteuerung soll in der Schweiz das bisherige System der Ehepaarbesteuerung ablösen. Politisch wird sie als „gerechter“ verkauft, da jede Person unabhängig vom Zivilstand besteuert wird. Besonders Doppelverdiener-Paare sollen davon profitieren, weil ihre Einkommen nicht mehr zusammengerechnet und dadurch in höhere Steuerprogressionen gedrückt werden. Doch was auf den ersten Blick fair klingt, birgt für viele junge Familien erhebliche Nachteile – gerade für jene, in denen ein Partner Teilzeit arbeitet oder ganz zuhause bleibt.

Gewinner der Reform

  • Doppelverdiener-Paare: Wenn beide Partner ähnlich viel verdienen, verteilt sich das Einkommen gleichmässig auf zwei Steuererklärungen. Die Steuerlast sinkt deutlich, da jeder für sich in einer tieferen Progressionsstufe bleibt.

  • Gut ausgebildete Paare ohne kleine Kinder: Besonders attraktiv wird die Individualbesteuerung für Paare mit zwei hohen Einkommen und ohne Betreuungskosten.

  • Ü50-Paare mit erwachsenen Kindern: Wer bereits aus der intensiven Familienphase heraus ist, profitiert überproportional, da die Kosten für Kinderbetreuung wegfallen, die Steuervorteile aber bleiben.

Verlierer der Reform

  • Alleinverdiener-Familien: Familien, in denen ein Partner zuhause bleibt (z. B. während der Baby- und Kleinkindphase), werden überproportional stärker belastet. Obwohl das Haushaltseinkommen gleich hoch ist, fällt die Steuerlast höher aus als bei Doppelverdienern mit identischem Gesamteinkommen.

  • Teilzeit-Familienmodelle: Viele Mütter arbeiten nach der Geburt und während der Kleinkindphase (oft bis zum Eintritt in den Kindergarten oder in die 1. Klasse) nur Teilzeit. Da Kita-Plätze für Babys und Kleinkinder in der Schweiz sehr teuer und privat bezahlt werden müssen, gibt es auch Familien, die bewusst nur ein Einkommen haben (in der Regel der Vater), weil in vielen Kantonen die Kita-Kosten das Einkommen der Mutter fast vollständig wieder aufbrauchen würden. In der Individualbesteuerung wird das steuerlich bestraft, da die Einkommen ungleich verteilt sind. Paradoxerweise verlieren Familien mit nur einem Einkommen am meisten.

  • Junge Familien mit kleinen Kindern: Diese Gruppe trägt die Hauptlast. Steigende Krankenkassenprämien, hohe Kita-Gebühren und Wohnkosten belasten schon heute die Haushaltsbudgets. Wenn dazu noch eine höhere Steuerbelastung kommt, verschärft das den finanziellen Druck massiv.

Rechenbeispiele – Wer zahlt am Ende mehr?

Um die Unterschiede sichtbar zu machen, lohnt sich ein Vergleich.

Beispiel 1: Doppelverdiener mit gleichem Einkommen

  • Partner A: 70'000 CHF Einkommen

  • Partner B: 70'000 CHF Einkommen

  • Total Haushaltseinkommen: 140'000 CHF

Bei Ehepaarbesteuerung: Einkommen wird zusammengezählt → 140'000 CHF, höhere Progression, Steuerlast z. B. 25'000 CHF.

Bei Individualbesteuerung: Jeder zahlt auf 70'000 CHF Steuern. Aufgrund der niedrigeren Progression summiert sich die Steuerlast auf ca. 20'000 CHF. → 5'000 CHF weniger Steuern.

Beispiel 2: Alleinverdiener-Familie

  • Partner A: 140'000 CHF Einkommen

  • Partner B: 0 CHF Einkommen

  • Total Haushaltseinkommen: 140'000 CHF

Bei Ehepaarbesteuerung: Einkommen wird zusammengezählt, Progression etwas abgefedert, Steuerlast z. B. 25'000 CHF.

Bei Individualbesteuerung: Partner A zahlt allein Steuern auf 140'000 CHF → Steuerlast ca. 28'000 CHF. Partner B zahlt 0 CHF → 3'000 CHF Mehrbelastung, obwohl die Familie genauso viel verdient wie im Beispiel 1.

Beispiel 3: Teilzeitmodell

  • Partner A: 110'000 CHF Einkommen (Vollzeit)

  • Partner B: 30'000 CHF Einkommen (Teilzeit)

  • Total Haushaltseinkommen: 140'000 CHF

Bei Ehepaarbesteuerung: Einkommen wird zusammengezählt, Steuerlast ca. 25'000 CHF.

Bei Individualbesteuerung: Partner A zahlt auf 110'000 CHF Steuern, Partner B auf 30'000 CHF. Gesamtbelastung ca. 27'000 CHF. → 2'000 CHF Mehrbelastung.

*Anmerkung des Autors: Die Rechenbeispiele dienen der Veranschaulichung und können je nach Kanton variieren.

Fazit

Die Individualbesteuerung mag auf dem Papier nach Fairness klingen, doch in der Praxis verschiebt sie die Belastung zulasten junger Familien mit kleinen Kindern mit Betreuungsnotwendigkeit und für traditionelle Familien mit nur einem Einkommen. Gewinner sind Doppelverdiener im gleichen Einkommenssegment und Paare ohne Betreuungsaufwand. Verlierer sind Familien, die sich bewusst oder notgedrungen für ein klassisches oder teilweises Einverdienermodell entscheiden. Verschiedene Rechenbeispiele zeigen: Bei gleichem Gesamteinkommen zahlen Einverdiener-Familien deutlich mehr Steuern als Doppelverdiener. Einmal mehr wird deutlich, dass in der Schweiz Familien- und Kinderplanung durch einseitige Gesetzesanpassungen noch unattraktiver gemacht wird, wie bisher.

Gesellschaftliche Auswirkungen

Mit diesem neuen Besteuerungsmodell wird nicht mehr Wahlfreiheit geschaffen, sondern ein subtiler Arbeitszwang für Mütter aufgebaut: Mehr arbeiten, um steuerlich nicht bestraft zu werden – auch wenn es nicht zur Lebenssituation passt oder aufgrund fehlender und teurer Kita-Plätze kaum umsetzbar ist. Wer echte Fairness möchte, muss flankierende Massnahmen wie höhere Kinderzulagen, gezielte Entlastungen für Alleinverdiener und bessere Betreuungsangebote mitdenken. Ohne diese bleibt die Individualbesteuerung ein Projekt, das die soziale Schieflage für Familien weiter verstärkt.

Interessant ist, dass dieser Missstand von den Medien kaum aufgegriffen wird. Gleichwohl sind sinkende Geburtenraten und mangelnde Fachkräfte häufiger in den Schlagzeilen. Es scheint, als leide die Schweizer Gesellschaft an einer Art kognitiver Dissonanz. Oder vielleicht liegt es daran, dass die treibenden Kräfte sowohl in der Politik als auch in der Demographie der Wählerschaft mit dem Thema "Familienplanung" alterstechnisch abgeschlossen hat und vergisst oder ignoriert, dass die jüngeren Generationen auf ein gewisses Mass an Unterstützung angewiesen ist. Leider wird der jüngeren Demographie diese Unterstützung mehr und mehr entzogen. Sie werden steuerlich stärker belastet als entlastet. Das zeigt z.B. auch die Kampagne zur Abschaffung des Eigenmietwertes. Eine besorgniserregende Entwicklung, die ziemlich sicher zu viel Unmut und noch mehr finanziellem Druck bei der jüngeren Generation führen wird. Das ist keine gute Voraussetzung für ein gesundes, politisches Klima und eine positive Entwicklung für die Schweiz.

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