Technologie verbessert das Leben - oder etwa nicht?
Untersucht die Behauptung, dass Technologie immer eine Verbesserung ist und weniger oder gar keine Nachteile hat.
Von T. A. Lumen
6/4/20254 min lesen
In den meisten entwickelten Ländern ist Technologie so tief im Alltag verankert, dass die Vorteile oft als selbstverständlich angesehen werden. Von Waschmaschinen und Laptops bis hin zu Streamingdiensten und digitalen Assistenten – Bequemlichkeit gilt als Fortschritt. Viele gehen davon aus, dass technologische Innovation immer zu mehr Wohlstand, Komfort und gesellschaftlichem Fortschritt führt. Aber stimmt das wirklich?
Diese Abhandlung beleuchtet die stilleren Kosten und verborgenen Grenzen moderner Technologie – besonders für Menschen außerhalb der idealisierten urbanen Blase.
Infrastruktur: Die unsichtbare Voraussetzung
„Ein Geschirrspüler verbessert nur dann das Leben, wenn der Strom funktioniert.“
Das mag offensichtlich klingen, aber in großen Teilen der Welt – etwa in Afrika, Asien oder Lateinamerika – sind Stromnetze instabil. Eine Familie mag eine Waschmaschine besitzen, doch wenn Strom nur unregelmäßig verfügbar ist, wird das Gerät zum Symbol der Frustration statt zur Hilfe.
Oft sind zusätzliche Systeme wie Generatoren oder Treibstoff nötig. Wenn diese nicht verfügbar oder zu teuer sind, bleibt nur die manuelle Arbeit. Gut gemeinte Versuche, Haushalte mit modernen Geräten auszustatten, übersehen häufig die infrastrukturellen Lücken, die deren Nutzen überhaupt erst ermöglichen.
Geplante Obsoleszenz und steigende Kosten
Das Smartphone, das man heute kauft, funktioniert in zwei Jahren womöglich nicht mehr richtig – nicht weil es kaputt ist, sondern weil die Software die Hardware nicht mehr unterstützt. Akkus verschleißen. Updates scheitern. Funktionen werden fehlerhaft oder unbrauchbar.
Diese wiederkehrenden Kosten betreffen vor allem Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen. Die meisten Nutzer brauchen keine Innovationen – sie brauchen verlässliche Grundfunktionen. Dennoch werden sie durch geplante Inkompatibilitäten zum Neukauf gedrängt. Der wirtschaftliche Druck ist subtil, aber stetig.
Reparaturmöglichkeit und Zugang
Wenn ein Gerät kaputtgeht – wer kann es reparieren?
Moderne Geräte sind oft komplex, proprietär und erfordern spezielles Werkzeug oder Fachwissen. In abgelegenen Gegenden – ob in Kamerun oder Chile – kann der nächste Techniker Stunden entfernt sein. Ersatzteile sind oft nicht erhältlich. Die Reparatur kann mehr kosten als ein neues Gerät. Viele verzichten daher ganz auf den Kauf.
Langlebigkeit und Wartungsfreundlichkeit werden häufig für Design oder Gewinnmargen geopfert.
Abos: Die neue finanzielle Belastung
Der Wandel von Besitz zu Zugang wird oft gefeiert – aber er hat seinen Preis.
Streamingdienste, Cloudlösungen und sogar Bürosoftware verlangen heute monatliche oder jährliche Gebühren. Eine Generation, die früher DVDs, Musik oder Programme kaufte, „mietet“ heute den Zugang. Einzelne Beiträge wirken gering – aber sie summieren sich, vor allem da exklusive Inhalte auf verschiedenen Plattformen verteilt sind.
Was einst als Wahlfreiheit begann, ist heute eine Kette kleiner Dauerzahlungen – oft unbemerkt, bis das Budget (über-)strapaziert ist.
Übertechnisierung im Verkehr
Moderne Autos werden oft – wenig schmeichelhaft – als „Tablets auf Rädern“ bezeichnet.
Bildschirme ersetzen Knöpfe. Die Bedienung wird komplexer. Die Kosten steigen. Viele Fahrer wollen einfach nur ein zuverlässiges Auto, mit Heizung, Klimaanlage und Musikfunktion. Navigation per Smartphone reicht völlig aus. Dennoch übertreffen sich Autohersteller in technischer Überladung – während die Erschwinglichkeit für den Durchschnittsbürger schwindet.
Leasing ersetzt den Kauf. Ein Auto bar zu bezahlen? Heute ein Luxus.
Psychologische und soziale Kosten der Technik
Die „Aufmerksamkeitsökonomie“ hat spürbare psychologische Folgen: Konzentrationsmangel, Dopamin-Dysregulation und zunehmende Einsamkeit. Kinder verbringen heute Stunden vor Bildschirmen – während vor 20 Jahren draußen gespielt und sich bewegt wurde. Die Illusion sozialer Verbundenheit wächst: Hunderte Follower oder Online-„Freunde“ bedeuten nicht automatisch echte Unterstützung bei Krankheit, Trauer oder im Alltag.
Zudem nimmt das Phänomen des „digitalen Burnouts“ zu – selbst unter Wissensarbeitern. Viele möchten sich nicht mehr mit technischen Problemen, Updates oder digitaler Heimarbeit auseinandersetzen. Eine ganze Industrie lebt davon, Menschen zu helfen, sich von der „ständigen digitalen Präsenz“ zu befreien.
Smarte Geräte reduzieren auch die Selbstständigkeit – z. B. durch Navigationsabhängigkeit. Besonders ältere Menschen oder Personen mit kognitiven Einschränkungen sind betroffen.
Ein ungelöstes Problem für viele Tech-Unternehmen: Was tun, wenn Technologie so komplex wird, dass ein großer Teil der Bevölkerung sie ohne Hilfe nicht mehr bedienen kann?
Ungleicher Zugang zu Innovation
Ein Werkzeug, das in New York bahnbrechend ist, kann in ländlichen Regionen Indiens nutzlos sein. Zurück zur Waschmaschine: Vielleicht wäre eine manuell betriebene, einfach zu reparierende Waschhilfe sinnvoller als die westliche Version mit Stromanschluss.
Ein weiteres Problem ist die Sprachbarriere. Technische Begriffe in Sprachen zu übersetzen, die kein entsprechendes Vokabular haben, ist schwierig. Und nicht jeder hat die Bildung oder geistige Kapazität, um Technik zu verstehen, zu warten oder zu reparieren. Die „globale“ Einführung von Innovationen ist daher extrem ungleich.
Der Mythos der Effizienz
Die technologische Kluft führt zu einem weiteren übersehenen Problem: dem Mythos der Effizienz.
Viele Tätigkeiten sind zwar schneller geworden – aber Menschen sind beschäftigter denn je. Ein Beispiel: Meine Mutter erhielt früher etwa zehn Briefe pro Woche. Vor 30 Jahren gab es keine E-Mails. Obwohl sie handschriftlich oder mit der Schreibmaschine antwortete, war die Gesamtmenge an Kommunikation deutlich geringer als heute.
Heute müssen viele täglich 30 private E-Mails durchgehen. Das nimmt Zeit – und „Effizienz“ geht dabei verloren.
Blick in die Zukunft: Was wollen Menschen wirklich?
Nicht jeder braucht das innovativste Produkt. Viele würden ein verlässliches, einfaches und langlebiges Gerät bevorzugen. Ein „Retro-Modell“, das gutes Design mit Funktionalität verbindet, könnte in gesättigten, überforderten und preissensiblen Märkten erfolgreicher sein.
Fortschritt muss nicht immer Komplexität bedeuten.
Die zentrale Frage lautet: Welche Art von Technologie verbessert wirklich das Leben – und für wen?
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